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Das langsame Sterben der sozialen Netzwerke

narayanan0

Aktualisiert: 24. Jan. 2024



Es war eine Horrornachricht.

Eines meine Jugendhelden leidet an Demenz: Bruce Willis, bekannt aus der „Stirb langsam“ Reihe und etlichen anderen sehenswerten Filmen. Und obwohl ich einige Nachrichtenkanäle auf Instagram und Linkedin abonniert habe (oder mir anschauen muss, dazu später), bekam ich die Nachricht über Bruce’s Krankheit nicht angezeigt. Woher ich es dann weiß? Ganz Oldschool, über eine Webseite.


Ja, Webseite. Das sind diese komischen Seiten, bei denen man keine App verwenden kann auf etwas klicken muss und nicht gleich alles angezeigt wird. Webseiten, auf denen man auch noch auswählen kann, was man sehen möchte, wer braucht denn sowas? Das werfen wir lieber gleich mal vom Dach des Nakatomi Plazas.


Selbst die Jüngeren unter uns wissen (noch) wer Bruce Willis ist. Ein Schauspieler, der in über 140 Filme und Serien zu sehen war, kein Unbekannter also, ist schwer erkrankt – es gibt wohl kein Nachrichtenportal, das darüber nicht berichten würde. Der Grund, weshalb ich davon nichts in den sozialen Netzwerken erfuhr, war wohl wieder irgendeinem Algorithmus geschuldet, der mir stattdessen lieber Werbung, Katzenbilder oder ein unterbelichtetes Selfie eines Users zeigen wollte. Ich hatte darüber ja schon mal einen Blogbeitrag verfasst wie ineffizient, ja geradezu dämlich dieses Algorithmen System ist (https://www.akigrafie.com/post/algorithmen-die-d%C3%BCmmsten-erfindungen-unserer-zeit).


Dann halte dich doch sozialen Netzwerken fern, wenn es um aktuelle Informationsbeschaffung geht, könnte man raten. Vielleicht sind die Zuckerberg’schen Klone auch nicht dafür gedacht? Doch genau aus dem reichen Hause dieses Herren gibt es seit einiger Zeit eine neue Plattform, mit dem für die Mehrheit der Weltbevölkerung schwierig auszusprechenden Namen „Threads“. Sollte man dem englischen „th“ nicht mächtig sein, kann man stattdessen auch „Freds“ sagen, was genauso daneben klingt wie die Beiträge, die man dort häufig zu lesen bekommt.

Threads soll wohl ein Konkurrenzprodukt zu Elon Musk’s „X“ (vormals Twitter) sein, denn dort erfährt man schneller Neuigkeiten als ein Tesla beschleunigen kann. Zuckerberg hat die Zeichen erkannt, mit Facebook, Whatsapp und Instagram war er wohl bislang Musk in Sachen Aktualität hoffnungslos unterlegen. Jetzt hat er eine Maschinenpistole. HO-HO-HO!

Ja, aber eine mit Ladehemmung und wenig Munition. Denn „Threads“ wird wenige Wochen nach dem Start schon wieder massenhaft von seinen Benutzern verlassen. Schlechte Reichweiten, wenig Resonanz auf Beiträge und wenig Möglichkeiten sich tatsächlich über das zu informieren, was einem auch wirklich interessiert, beklagen die Nutzer. Tragischerweise genau das, was sie schon lange bei Instagram und Co. erleben und sie (in der Hoffnung auf Besserung) zur Anmeldung bei „Threads“ motiviert hat.


Was zunächst als Fehlkonstruktion klingt, leidet in Wahrheit an derselben Krankheit, an der unser guter Bruce erkrankt ist: Demenz. Denn anscheinend haben die Anwender der Plattformen vergessen um was es auf „sozialen“ Netzwerken eigentlich geht: Austausch, Reaktion, Kommunikation und Interaktion. Was früher noch gängig war, wird heute größtenteils nicht mehr gemacht.


Bildchen oder Videos posten und zu warten, bis die Likes eintrudeln ist ein Denkfehler. Ein „Like“ ist nämlich kein Egostreicheln, sondern eine Kommunikationsmöglichkeit: ich sage damit, dass mir etwas gefällt. Als Däumchen-Hoch-Geber ist es im Regelfall nicht meine Intention dem Verfasser damit das Wohlstandsbäuchlein zu streicheln sondern zumindest eine Reaktion erwarten zu können. Man stelle sich vor im realen Leben würde man jemanden komplimentieren und dieser würde reaktionslos verharren und auf den Nächsten warten, der ein Lob ausspricht.  Es ist berechtigt diesen Netzwerken das „soziale“ abzusprechen, denn die wenigsten verhalten sich dort sozial.


Nachrichten weder beantworten, noch diese zu lesen, seine „Threads“ raus zu hauen und bei Beteiligung darauf weder zu reagieren noch diese zu kommentieren, all das ist mittlerweile gängig geworden. Es ist offenkundig, dass es mittlerweile gar nicht mehr darum geht mit Menschen in Kontakt zu kommen, sondern möglichst viel von sich zu zeigen oder zu schreiben, um dafür ein Maximum an Herzchen einzusammeln. Das eine One-Man-Show auf Dauer keinen Erfolg bringt hat man schon im dritten Teil der „Stirb Langsam“ Reihe erkannt. Und das ist fast 30 Jahre her.


Den Niedergang von „sozialen“ Netzwerken erkennt man wie schnell die Leute von einer Plattform auf die andere wechseln, betrübt von einem Ausbleiben der Likes wird das bislang bevorzugte Portal gecancelt und sich beklagt, wie schlecht die Reichweite doch geworden ist. Und dabei wird vergessen, dass man daran meist selbst schuld trägt.


Wer einmal einen demenzkranken Menschen erlebt hat oder diesen pflegen musste, weiß wie grotesk und irrational sich diese Person verhalten kann. Selbiges Betragen kann man beispielsweise auf „TikTok“ sehen, Menschen, die sich lächerlich machen, Dinge tun, für die sie im realen Leben ausgelacht würden, doch für Likes und Herzchen tut man anscheinend heutzutage alles.


Auf bereits erwähnter „Freds“ Plattform findet man aktuell fast nur noch protestierende, aggressive und diffamierende Beiträge im gefühlten 30-Sekundentakt (das ist auf „X“ nicht viel anders). Auch hier mangelt es an Kommunikationsbereitschaft, Diskussionen sind nicht erwünscht oder man ignoriert sein Gegenüber meist schon nach der ersten Antwort.Das zurzeit überall beobachtbare Herausschreien der „eigenen Meinung“ ohne sein Gegenüber zu verstehen oder es überhaupt zu wollen, finden auf diesen Plattformen eine traurige Fortsetzung und bildet den Nährboden für assoziales Verhalten.


Was am Ende übrig bleibt, sind frustriere Menschen, die einen realitätsfernen Eindruck von Nichtbeachtung bekommen, wenn die Likes ausbleiben. Ein Gefühl, das jeder aus seiner Kindheit kennt und seither versucht vehement zu vermeiden: alleine zu sein. Alleine dazustehen, unbeachtet. Ach Menno, keiner spielt mit mir!

Folge: alles tun, um Beachtung zu bekommen, egal wie krank das Verhalten damit auf Dauer werden kann. Dabei wäre es so einfach: Interaktion und Kommunikation wieder aufnehmen, sich für das Gegenüber ehrlich zu interessieren, und den Austausch wieder in den Vordergrund zu stellen. Mit anderen Worten: ganz normales, sozialen Verhalten.


Wenn Musk, Zuckerberg und Co weiterhin mit ihren Plattformen Geld verdienen und damit überleben wollen, müssen sie sich hier schnellstmöglich etwas einfallen lassen.


Doch wahrscheinlich gibt es darauf nur eins, was sie dazu sagen werden:

Yippie-Ya-Yeah, Schweinebacke.



 



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