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Über das langsame Sterben der Peoplefotografie

Aktualisiert: 25. März



Vorab – ich bin relativ sicher, dass einige von euch das was ich hier schreibe, anders sehen. Dazu ist ein soziales Netzwerk aber da – damit ein Austausch statt findet und zu diesem möchte ich hier auch einladen.

Wobei genau die sozialen Netzwerke die wohl meisten Gründe liefern, weshalb ich behaupte, dass die Peoplefotografie sozusagen „im Sterben“ liegt.


Und auch noch eins vorab: wenn ich über Peoplefotografie spreche, dann meine ich damit vornehmlich das Fotografieren von Privatpersonen – nicht das Geschäftliche wie Business-Portraits oder Hochzeiten bzw. Auftragsshootings aller möglichen Art.

Ich denke die Allermeisten der Peoplefotografen wissen worüber ich rede und machen das als Hobby.


Aus meiner Sicht muss hier mal Klartext über das Thema geredet werden.


Ich mache das jetzt seit 2006 – also schon eine ganze Weile. Der Stapel an TFP-Verträgen ist in den ganzen Jahren sehr hoch geworden, ich würde sagen, ein paar Hundert Shootings, wenn nicht sogar eine vierstellige Zahl an Shootings habe ich schon gemacht.

Und ja, natürlich ist hier mittlerweile eine gewisse Routine drin und vieles ist schon recht ausgelutscht. Die Motivation zu „shooten“ war früher auch bei mir schon mal größer. Das liegt meiner Meinung nach an folgenden Dingen:


Alles schon mal dagewesen.

Wenn man mal überlegt, dass, laut aktueller Statistik, etwas mehr als 1 Bild pro Sekunde auf Instagram hochgeladen wird (und das ist ja nur Instagram!) ist wohl klar, dass es praktisch nichts mehr gibt von dem es nicht schon ein Foto gibt oder gemacht wurde.


Allein in den letzten Minuten, in denen man das hier gelesen hat, sind wieder hunderte Fotos dazugekommen.

Und wenn man jetzt mal die ganzen unnötigen Bilder wie Selfies, Haustierfotos oder Bilder vom Essen wegrechnet, sehen wir immer noch genügend Bilder aus besagten Shootings.

Das soll jetzt natürlich niemand davon abhalten weiter Fotoshootings zu machen, ich spreche mich nicht für einen Bilder-Stopp aus.


Das Tragische dabei ist nur, dass (ich kenne hier einige die sich so verhalten), viele machen mittlerweile fast nur noch für soziale Netzwerke ihre Bilder, immer auf der Suche nach Klicks und Fame. Das hier Individualität, Ideen und eigener Stil auf der Strecke bleiben ist glaube ich jedem klar.

Besser wird’s damit also nicht und irgendwann hat halt auch jeder dann mal das fotografiert was zigtausende Andere vor ihm schon abgeknipst haben.


Jetzt sehen wir ja, für mich auch schon allein deswegen eine logische Konsequenz, dass es auf den sozialen Netzwerken nicht mehr so gut läuft. Die Anzahl der Posts, in denen sich über mangelnde Reichweite, oder, nennen wir das Kind doch mal beim richtigen Namen: mangelndes Interesse, beklagt wird, ist mittlerweile so hoch wie die Anzahl an hochgeladenen Selfies.


Das unsoziale Verhalten auf „sozialen“ Netzwerken

Was jetzt erstmal recht ambivalent klingt, ist leider bittere Realität: denn diese sogenannten "sozialen" Netzwerke haben ein respektvolles Miteinander in den letzten Jahren praktisch ad absurdum geführt.

Ich weiß nicht wie es anderen Peoplefotografen so geht, aber ich spare mir mittlerweile Anfragen an ein potentielles Fotomodell, entweder du bekommst keine Antwort, nur extrem verzögert, oder die Kommunikation ist derart dürftig, dass man sich als Interessierter vorkommt als wäre man nicht nur Plan B, sondern eher C oder D.

Ich sprach vorhin von mangelndem Interesse, und genau das passiert hier.


Warum ist das so?

Auch hier schließt sich der Kreis: die Meisten sind völlig übersättigt.

Du wirst heute mit Medien derart bombardiert, dass du häufig gar nicht mehr aufnahmefähig bist.

Das führt zur Nichtbeantwortung einer Anfrage, extrem geringer Motivation für ein Fotoshooting (weil, wie gesagt, alles schon mal gemacht und gesehen) und paradoxerweise dann trotzdem wieder nach dem Wunsch alles dafür zu tun seine Likes und Aufmerksamkeiten zu bekommen.

Teufelskreis geschlossen.


Ich weiß ich schreibe grade sehr viel über Social Media, aber wir Fotografen müssen uns einfach eine Sache klarmachen: das erwünschte Fotomodell hat an solchen Dingen schlichtweg kaum noch Interesse – denn wenn das Selfie und das sexy Badezimmerspiegelbild für Social Media kaum noch jemanden erreicht, dann unsere "professionellen" Fotos schon gar nicht mehr.


Deswegen gibt’s so Social Media Geschwüre wie OnlyFans und dergleichen – da verdient man zumindest noch Geld mit den peinlichen Ergüssen, die da gezeigt werden, im wahrsten Sinne des Wortes.


Hinzu kommt noch, dass ein aufwändig gestaltetes Foto mit Bildidee, mit toller Location und/oder Klamotten und vielleicht sogar noch einem professionellen Makeup einer Visagistin, erstens kaum noch ein Betrachter im Wust der Feeds wahrnimmt oder besser: wahrnehmen will, und zweitens, was jeder Fotografb bestimmt auch schon häufig beobachtet hat: das Fotomodell hat eher gesteigertes Interesse ihr krasses Makeup oder Hairstyle in einer Story oder Reel zu zeigen, vor allem der Aufmerksamkeit wegen.

Die Bilder vom Fotografen sind somit logischerweise zweitrangig.


Es hat einen Grund weshalb sich Fotografen häufig drüber beklagen, dass kaum ein Foto aus dem Shooting von den Damen irgendwo hochgeladen und gezeigt wird: daran liegt’s!


Und es ist nichts Neues, dass viele Fotomodelle eher den Shootingtag und all die (hoffentlich positiven) Gefühle als wichtig und erinnerungswürdig betrachten.

Das Fotografen mit ISO Drölfzigtausend mit der neuesten Gigakamera noch ein sauberes Bild abliefern können, ist damals schon ziemlich unwichtig gewesen. Und das ist auch ganz normales Verhalten, darüber brauchen wir nicht viel meckern.

Fakt ist: die meisten Fotomodelle brauchen uns Fotografen nicht mehr.


Keine eigene Weiterentwicklung

Der Unterschied zum Handyfoto ist leider bei einigen unserer Gattung nicht mehr signifikant. Und ja, die Smartphones haben gut was an Bildqualität zugelegt. Ich rede jedoch nicht von messbarer Bildqualität von irgendwelchen aktuellen Sensoren, sondern vom Bildinhalt.

Ein schickes Bildchen eines Mädchen im Dirndl vor dem Oktoberfest – dazu braucht es heute keinen Fotografen mehr, sondern nur die Freundin, die das Handy in die Hand bekommt und knipst.


Für sinnliche Fotos gibt es heute Portale, auf denen Versager sogar noch die Kreditkarte zücken, um besagte Handyknipsbildchen zu sehen.

Ich erwähnte eines der größten Plattformen dafür ja bereits.


Für Fotos mit viel nackter Haut bist du früher als Modell mit hochrotem Kopf zum Fotografen – und mit noch röterem Kopf wieder raus. Oder im Hobbybereich hat es viel, viel Vertrauen gebraucht bis du sowas mal gemacht hast.

Heute stellt man nur noch das Handy hin und kann aus einer praktischen Distanz heraus die „Freier“ bedienen.


Ich könnte hier noch einige Beispiele mehr anführen, aber ich denke der Punkt ist angekommen.

Solange der Fotograf keinen Mehrwert bietet, gibt’s auch kein Shooting.

Ganz einfach.


Biete ich als Fotograf daher nichts weiter an als das was alle anderen machen, das Fotomodell selbst kann, oder bediene keinen aktuellen Trend, kann ich eigentlich damit rechnen, dass meine Kamera im Fotokoffer mittelfristig Schimmel ansetzen wird.

Und wenn mich jetzt jemand fragt welcher Mehrwert das den sein soll, kann ich nur sagen: die Peoplefotografie muss umgedacht werden, denn der Mehrwert lässt sich heut nicht mehr an einer Bildidee oder ganz grundsätzlich gesagt an einem „guten Foto“ festmachen.


Beispiel.

Vor einigen Jahren haben sie mir regelrecht die Bude für folgende Bilder eingerannt. Ich war seinerzeit eine Art Unikat für diesen, nennen wir es mal Bildstil. Konnte keiner, machte keiner. Und mit diesen Fotos erzeugte man damals massiv Aufmerksamkeit (es ging damals schon zu einem Großteil nur darum):






Ich habe seinerzeit, auf Grund von extrem vielen Anfragen für ein Shooting, eine Deutschlandtour angedacht. Der Fotos damals schon überdrüssig, fragte ich ob man bei einem Fotomodell auch mal was anderes "shooten" dürfte als diese Nixen: Absage oder Stillschweigen.

Denn der Aki war ja der „mit diesen krassen Wasserbildern“.

In eine andere Schublade hab ich anscheinend nicht reingepasst.


Verständlich, bis zum gewissen Grad. Die Modelle wollten solche Fotos, alles Andere war damals schon langweilig. Das Problem ist, dass du dich als Fotograf an solch einem Thema auf Dauer „ausbrennst“ (oder in dem Fall, in deinem eigenen Bildstil "ertrinkst").


Apropos Bildstil – es war mal lange Zeit schick, dass das Fotomodell eines der Bilder im Portfolio mit besagtem Bildstil zeigen konnte, das „Fotografenhoppen“ war gängig und keiner, wirklich keiner von uns Fotografen sagte nein. Und genau deswegen war es wichtig auch so eine Meerjungfrau vom Aki zu haben.

Damals ging es wenigstens noch um einen Eyecatcher.


Fotografie ist nur Mittel zum Zweck

Ich hatte letztens ein Gespräch mit Fotografen (in meinem Alter und darüber) wieviel sie mit der Fotografe verbinden bzw. weshalb sie überhaupt fotografieren. Fast alles sagten es würde ihnen Freude und Sinnhaftigkeit geben. Natürlich ist das auch „nur“ ein Mittel zum Zweck – jedoch spielt das Mittel hier eine entscheidende Rolle.

Wir Fotografen lieben unsere Ausrüstung und ein gewisser technischer Anteil ist bei jedem unserer Fotos dabei. Das Mittel für besagten Zweck wird dann obsolet, wenn ich darüber nicht mehr nachdenken muss, und vor allem: nicht will.


Deswegen ist den Fotomodellen unsere Ausrüstung verständlicherweise egal, das erklärt aber auch den inflationären Gebrauch der Telefone mit Fotofunktion, wie man sie eigentlich nennen sollte.


Ein noch krasseres Beispiel:

Da stand letztens in einem dieser wunderbaren neuen Social Media Klone die Frage eines Fotomodells, wer von den Fotografen denn Tipps hätte für Bilder während des Urlaubs.

An sich keine verwerfliche Frage, wäre da nicht die Bedingungen gewesen, wie man das mit dem Handy macht und das Motiv sollten natürlich Selfies sein.

Was jetzt erstmal merkwürdig klingt, zumal das Shooten eines Duckfaces auch dem Unbegabtesten gelingt, ist aus meiner Sicht ganz schön frech:

da wird nämlich von Fotografen Hilfestellung eingefordert, um bessere Selfies ohne Fotokamera machen zu können um die Fotografen durch das erlangte Wissen dann wiederum nicht mehr zu brauchen.


Das ist übrigens auch wieder ein unschönes Beispiel für das bereits erwähnte asoziale Verhalten, von dem ich vorhin schon sprach.


Wie sagte es der gute Geoge Carlin einmal:

"Good soldiers never die, they just fade away…"

Im übertragenen Sinne:

"Gute Fotografen sterben nie, sie verkümmern nur langsam…"














   


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